Zuerst ein Wort der Warnung. Ich gestehe, dass wenn es um persönliche Freiheit und ganz besonders die Meinungs- u. Satirefreiheit geht, vertrete ich bewusst und aus tiefster Überzeugung eine sehr radikale Ausrichtung.
Und ja ich bin der Meinung, dass es keinerlei Einschränkung der freien Meinungsäußerung geben darf. Drohungen und Erpressungsversuche sind eine etwas anders gelagerte Sache, da sie in meinen Augen keine Meinung darstellen. Nicht jede Äußerung ist eine Meinung und Gewalt ist erst recht keine.
Der Punkt: Sprache als Handlung ist in meinen Augen ein sehr gefährliches Argument, dass kann ich nicht komplett stehen lassen. Wenn wir anfangen Leute für einen ausgesprochenen Gedanken zu verurteilen, sind wir einen Schritt näher am Gedankenverbrechen.
Über Jahrhunderte musste das Recht der freien Äußerung hinten anstehen. Sei es nun für Religion, das Placebo der abergläubischen Massen oder die persönlichen Befindlichkeiten von Königen und Priestern.
Damit muss Schluss sein. Und deshalb bin ich der Meinung, dass man den Straftatbestand der Beleidigung abschaffen muss, das ist einer Spezies, die sich der Aufklärung rühmt nicht würdig.
Besonders, wenn diese Gesetze von Leuten genutzt werden, Künstler und Journalisten einzuschüchtern. Erbeten von einem Mann, der sich immer beleidigt fühlt, aber regelmäßig andere Politiker und die gesamte Gruppe der Journalisten diffamiert und zu Gewalt gegen eine Bevölkerungsgruppe aufruft. Warum ist Heuchelei kein Tatbestand?
Bekommt er dafür Probleme mit dem Gesetzt? Nein.
Bekommt Jan Böhmermann Probleme mit dem Gesetzt? Möglich.
Warum lassen wir das zu, wo liegen unsere Prioritäten?
Wir geben auf, was das Wertvollste in unserer Verfassung ist, und zwar ohne einen Kampf aber dafür mit einem Wort der Verteidigung und des Verständnisses für die Regierung, die uns in den Rücken gefallen ist.
Dafür sollten wir uns alle schämen. Ich für meinen Teil tue es.
Es muss das Recht der freien Äußerung uneingeschränkt gelten, denn wenn man anfängt, ein Recht zu beschränken und einzuengen, ist es kein Recht mehr, sondern ein temporär gewährtes Privileg, dass nach Willen gewährt, verwehrt und geändert werden kann.
Eine Beleidigung ist kein festes Konstrukt, weswegen es immer eine Definitionssache ist. Aber wem will man die Deutungshoheit überlassen? Den ewig und von allem Beleidigten? Den Religiösen? Den Social Justice Warriors? Das haben wir über Jahrhunderte gemacht und es bedeutete immer nur einen Rückschritt in Sachen Gesellschaft, Weiterentwicklung und Wissenschaft.
Wen wählen wir als den großen Zensor? Kennt ihr Jemanden, dem ihr diesen Job geben würdet? Würdet ihr Jemandem die Kontrolle übertragen zu entscheiden, was ihr lest und hört? Wenn die Antwort "Nein" ist, wieso sollte man es dann einem Gesetz erlauben?
Hierzu möchte ich ein kleines Zitat anbringen, und diesen Gedanken auf die Frage zu übertragen, was passiert, wenn wir Anfangen Rechte und Freiheiten für einen Zweck aufzugeben:
William Roper: So, now you give the Devil the benefit of law!
Sir Thomas More: Yes! What would you do? Cut a great road through the law to get after the Devil?
William Roper: Yes, I'd cut down every law in England to do that!
Sir Thomas More: Oh? And when the last law was down, and the Devil turned 'round on you, where would you hide, Roper, the laws all being flat? This country is planted thick with laws, from coast to coast, Man's laws, not God's! And if you cut them down, and you're just the man to do it, do you really think you could stand upright in the winds that would blow then? Yes, I'd give the Devil benefit of law, for my own safety's sake!
Einschränkung eines Freiheitsrechtes könnte sehr wohl eines Tages zur Einschränkung aller/deiner Freiheitsrechte führen. Wie schützt Du dich dann?
Es kann nicht sein, dass die Phrase " Das ist beleidigend!" als Blankocheck genutzt werden kann um kritische Gedanken mundtot zu machen und Diskussionen zu beenden.
Viel mehr muss man die Gesellschaft ermutigen, sich charakterlich weiter zu entwickeln und sich ein dickeres Fell anzueignen. Wer von der Meinung eines Anderen so verletzt werden kann, sollte eher an sich selbst arbeiten, als versuchen dem Anderen seine charakterliche Stärke, nämlich offen und zur Not auch in aller Härte des gesprochenen Wortes für seine Sache einzustehen, absprechen zu wollen.
Die Dummheit der Leute, die krankhafte Moral der Religion und die Unterdrückung der Freiheiten sind Dinge, bei denen ich auch sagen könnte " Ich fühle mich beleidigt", aber ein denkender rationaler Mensch muss das ertragen. Politiker und Personen des öffentlichen Lebens noch mehr als jede Privatperson.
Ich bin von dieser Ansicht fest überzeugt und nehme mir das Recht heraus diese Freiheit auszuüben. Dafür gestehe ich es aber auch jedem anderen zu, ich lade jeden dazu ein, mir seine brutale und völlig offene Meinung und Kritik vor den Latz zu knallen. Die offene Diskussion und noch mehr der Streit sind die höchste Form des gedanklichen Austausches. Nur so wachsen wir.
Jemand der sich hinter Phrasen versteckt, weil er sich von einer Aussage beleidigt fühlt, sagt damit in meinen Augen mehr über seine charakterlichen Unzulänglichkeiten und geringes Selbstwertgefühl, als über die Person die offen spricht.
Meine eigene Meinung ist mir genug, ich brauche nicht den trügerischen und Flaschen Schutz von Massenkonsens, daher kann ich mit anderen Meinungen leben. Ich brauche keinen Zustimmenden und ich nehme mir das Recht, meine Meinung zu jeder Zeit, an jedem Ort und gegen jeden zu verteidigen, der anderer Meinung ist. Daher kann ich damit Leben, wenn man mir widerspricht, mich anschreit oder mich hasst und verachtet, ohne mich gleich angegriffen zu fühlen.
Und das ist auch ein Anspruch, den ich an mich selbst stelle. Ich brauche und will diesen " Schutz" nicht und ich würde jeden ermutigen sich ebenfalls dazu zu zwingen.
Der Tag, an dem ich gemerkt habe, dass mein Seelenheil nicht von der Zustimmung der Menschen um mich herum abhängt und das mir ihre Meinung, wenn ich sie für falsch halte, völlig egal sein kann, war der befreiendste Moment meines Lebens und eine geniale mentale Erfahrung ...oder Neudeutsch ein Braingasm.
“(Mockery of religion is one of the most essential things)…one of the beginnings of the human emancipation is the ability to laugh at authority, its indispensable”
Um noch mal Hitchens zu zitieren, der für mich in diesen Fragen einfach ein leuchtendes Feuer der Inspiration und Genialität ist. Und für Religion kann man ebenso Gesetze einsetzen, die Freiheit einschränken.
Erst recht, wenn dieses Gesetzt verhindern soll, dass ein Tyrann mit Hohn, Spott, Verachtung und Beleidigung überzogen wird.
Ich schließe mit einem Satz, der mir sehr aus dem Herzen spricht.
"It’s not just the right of the person who speaks to be heard, it is the right of everyone in the audience to listen, and to hear. And every time you silence someone you make yourself a prisoner of your own action because you deny yourself the right to hear something."
Als kleiner Anhang nochmal eine meine Wutschrift, die ich am Tage der Böhmermann Entscheidung der Kanzlerin an das Bundeskanzleramt geschickt habe:
Sehr geehrter Damen und Herren,
es kommt für mich immer einer persönlichen Niederlage gleich, wenn man Personen bestimmter politischer Gesinnungen, dazugehören Rechte, Linke und Grüne, zustimmen muss.
In den vergangenen Tagen konnte ich noch nicht glauben, dass unsere Bundesregierung so von Verzweiflung und Angst vor einem Wiederaufflammen der Flüchtlingsströme getrieben sein wird, dass sie unsere Presse-, Meinungs- und Satirefreiheit auf dem Altar eines Deals mit einem krankhaft religiösen Despoten mit Minderwertigkeitskomplexen opfern würde.
Eine Regierung, deren Aufgabe es gewesen wäre, unsere Verfassung und unseren Künstler zu schützen, erniedrigt sich, indem sie sich zu einem Bückling für diesen Tyrannen macht. Das macht mich betroffen und wütend, mal abgesehen davon das es beschämend und erbärmlich für jeden Freiheitsliebenden Menschen ist. Die Mitglieder der Regierung hatten die Chance, eine Grenze in den Sand zu ziehen und zu sagen "Bis hier hin, aber definitiv nicht weiter." und sie werden sich historisch gesehen auf die Fahne schreiben müssen, der Meinungsfreiheit an diesem Tag einen fatalen Stich in die Flanke versetzt zu haben, das ist eigentlich unverzeihlich.
Das bringt mich neben der Verzweiflung Personen zustimmen zu müssen, deren politische Ansichten ich absolut nicht teile, auch erneut in die Position mich bei dem Gedanken zu erwischen, dass unsere persönliche Freiheit in Deutschland ein immer weiter schrumpfendes Gut geworden ist.
Es geht mir gar nicht speziell um Böhmermann, der sein Recht auf Ausübung von Kunst und Satire frei und clever genutzt hat, wenn der Inhalt auch streitbar ist, sondern darum was das für uns alle und die Zukunft bedeutet. Sie haben nicht nur einen deutschen Staatsbürger und Künstler im Stich gelassen, sondern alle Menschen, die Wert auf die Freiheit legen, die in diesem Land einmal etwas bedeutet hat.
Ich will nicht so pathetisch sein und sagen, dass Sie sich schämen sollten, denn persönliche Scham würde diesen enormen Fehler auch nicht wieder aus der Welt schaffen.
Für den Rest der Bevölkerung sollte heute jedenfalls klar geworden sein, dass die Bundesregierung bereit ist, die Macht, die eigentlich dem Volk zusteht, bei Bedarf an ausländische Despoten zu verkaufen. Danke dafür.
Wenn ich auch davon ausgehe, dass diese Zeilen ungelesen in einem digitalen Papierstapel verschwinden werden, so war es mir trotzdem ein Bedürfnis diesem Unmut Luft zu machen.
Ich verbleibe enttäuscht und wieder etwas pessimistischer, im Hinblick auf die Zukunft.
Die Ausführung zu Punkt Zwei folgt morgen früh.