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21

Dienstag, 9. Juli 2013, 22:29

Es war ihr tiefer Ernst. Er hatte es gehofft und zugleich gefürchtet. Beides war falsch, doch er konnte jetzt nicht zu der Ruhe finden, die ihre Frage erforderte. Wie sollte er antworten?

"Marlinah, deine Frage ist eine große Ehre für mich, und ich danke dir für dein Vertrauen. Und ich bitte dich um dein Verständnis, wenn ich dir noch keine Antwort geben kann."

Ihr Gesicht war so enttäuscht, dass er bedauerte, es nicht besser ausgedrückt zu haben. Er ließ sich auf ein Knie nieder und sah ihr direkt in die Augen.

"Du wirst es gleich besser verstehen. Ich sagte dir ja vorhin, dass mein Meister hier ist, um die Ruhe des Tempels zu suchen. Es ist nicht nur das... er ist gekommen, um eine tiefere Ruhe zu finden."

"Noch mehr Ruhe als im Tempel? Aber wie..." Dann verstand sie. "Ihr meint... dass er sterben wird?"

"Ja, Marlinah. Er hat es schon eine ganze Weile gespürt. Nun ist es soweit." Er sah sie ruhig an. "Wenn du möchtest, kannst du mich zu ihm begleiten."

Sie erwiderte seinen Blick. Er lächelte, doch in dem Lächeln spürte sie Trauer. Sollten Jedi nicht frei von Gefühlen sein? Aber egal was man über Gelassenheit sagte, Abschied war Abschied, auch für einen Ritter... Zur Antwort nickte sie nur.

Sie gingen zusammen in das abgelegene kleine Zimmer, in dem Liren auf einem einfachen Bett lag. Sie schlossen die Tür, verneigten sich und traten zu ihm.

"Es-s ist gut", lächelte Bareg Liren, als er Marlinahs betrübten und etwas befangenen Blick bemerkte. Er sprach noch langsamer, als er es ohnehin schon immer getan hatte. "Ich bin mü-üde und schl-lafe nun - ich erwach-che."

Sie verstand die letzten Worte nicht ganz, doch eine andere Frage drängte sich vor. "Aber..." Sie zögerte weiterzusprechen, doch als Liren sie aus müden Augen freundlich ansah, brachen die Worte heraus. "Ich wollte Euch doch noch besser kennenlernen... Es tut weh, Meister Liren! Warum tut es weh, wenn es doch gut ist?"

"All-ler Schmer-rz ents-springt dem Qu-uell des Bege-ehrens. Bege-ehrst du nich-chts, gibt es kein-nen Schmer-rz."

"Gar nichts wünschen?" fragte sie zweifelnd. "Wie soll man das machen? Wir wünschen uns doch gute Dinge, ich meine, nicht nur für uns selbst... Frieden zum Beispiel, und Gerechtigkeit... Sollen wir das denn nicht?"

"Verpflich-chtet bis-st du diesen Ding-ngen, kleine Je-edi. Das is-st dein Weg, ob du es will-lst oder nich-cht. Aber soll-lst sie nicht bege-ehren. Nicht wün-nschen. Der Will-le des Tropf-fens ist nich-chts - die Weis-sheit des Re-egens, des Fluss-ses, des Mee-ers... ist all-les."

"Aber wenn ich nur ein Tropfen bin, was kann ich dann überhaupt machen?"

Er atmete einige Male durch, bevor er antwortete.
"Wenn der Tropf-fen in den Fluss fäll-lt, kleine Je-edi, hört er auf, ein Tropf-fen zu sein. Dann is-st er der Fluss, der See, das Mee-er. Kämpf-fe nicht gegen das Fall-len. Hoff-fe nicht. Fürch-chte nicht. Sei im Str-rom. Sei der Str-rom."

"Der Strom - sind das die Jedi?" fragte sie zaghaft.

"Die Je-edi, und viel-le mehr, und viel me-ehr als all-le zusamm-men. Das-s, was all-le verbin-ndet."

"Ich glaube, Ihr meint die Macht, Meister Liren... oder?"

Er nickte kaum spürbar, für mehr reichte seine Kraft nicht mehr. "Sie weiß-ß, was du tun muss-st. Brauch-chst keine Wünsch-sche. Vertr-raue dem Str-rom. Lass dich fall-len in den Str-rom... str-röme, kleine Je-edi."

Marlinah konnte nicht weitersprechen. Tränen traten in ihre Augen.

Jestocost hatte sich neben das Bett gekniet und nahm jetzt die Hand des alten Meisters. "Meister Palu", sagte er leise, "musst du wirklich gehen? Wir brauchen dich. Deinen Rat, deine Weitsicht. Das Gespräch mit dir. Den Trost, den wenige Worte von dir spenden können, wenn es dunkel wird."

"Die Galax-xis ist groß-ß, Aamaw", lächelte Liren. "und viel-le kluge und weise We-esen leben darin. Du fin-ndest wieder ein-nen, der das Lied des Tros-stes kennt. Aber viell-leicht muss-st du auch gar nich-cht sehr weit such-chen." Er sah Jestocost ruhig in die Augen.
"Wir ha-aben viel ges-sprochen. Du und ich-ch, wir waren Ges-spräch, Flüs-stern in den Bäum-men und Quell-len. Höre nich-cht auf zu lausch-schen, zu schw-weigen, zu spr-rechen."

Er verstummte und atmete flach und schnell. Seine Lebenskraft war fast geschwunden.

"Meister Palu, du weißt, was in meinen Gedanken ist... Ist es richtig?"

Mit leiser und leiser werdender Stimme antwortete der Ithorianer: "Vertraue dem Str-rom, der dich führ-rt. Fin-ndest du en-ndlich das Meer: Kein Rich-chtig... kein Falsch... Wir sehen uns wie-eder im Meer. Dann sind wir nich-cht Gesp-spräch - dann sind wir Gesan-ng."

Jestocost senkte den Kopf. Eines blieb noch, die letzte Pflicht des Freundes. Er sah wieder auf und fragte: "Wie möchtest du bestattet werden, Meister Palu?"

Liren lachte leise. "Wie du will-lst, Aamaw", antwortete er, "wenn du mich-ch fang-ngen kann-nst." Fast war ein sanftes Zwinkern in den uralten Augen zu ahnen.
Nach einigen Augenblicken des Schweigens fügte er hinzu, seine Stimme nur noch ein Flüstern: "Was die Mach-cht zulet-tzt schickt - Kam-mpf, Kran-nkheit, Al-lter - wir müss-ssen dan-nkbar sein. Es ist ein-ne gro-oße Gnade."

Dann schloss er die Augen. Noch ein, zweimal hob und senkte sich seine Brust, dann lag sein Körper still.

"In diesem Kurs geht es um Fakten. Wenn ihr an der Wahrheit interessiert seid, Meister Aldes Vorlesung befindet sich am Ende des Ganges." -- Norru Balnam

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22

Freitag, 12. Juli 2013, 19:00

Marlinah blinzelte ein paar Mal, als sich der Brustkrob einfach nicht mehr heben wollte.
„Das ist so traurig.“, murmelte sie leise und wandte die Augen ab, versuchte sich durch die schlichte Einrichtung abzulenken und daran zu erinnern, dass sie ein Jüngling war. Gefühle gibt es nicht, Frieden gibt es.

Ihr Blick blieb an Jestocost hängen. Er kniete noch immer vor dem Leichnam seines Lehrers, die Stirn auf dessen Hand gelegt. Nun hob er den Kopf und stand langsam auf, beugte sich über den zur Seite gesunkenen Kopf des Meisters und schloss ihm behutsam die Augen. Eine stumme Geste nur, die in diesem Moment die Galaxie für einen Atemzug still stehen ließ. Dann wandte er sich Marlinah zu. Auch in seinen Augen glänzte es. Doch sie sahen sie sanft und ermutigend an. Der Jedi merkte wohl, dass sie etwas fragen wollte.

„Wird er verbrannt?“, fragte sie, noch immer mit leiser Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. Sie hatte bisher häufig von dieser Bestattungszeremonie gehört, jedoch noch nie einer beigewohnt.

Der Ritter neigte leicht den Kopf. „Vermutlich. Aber ich weiß es nicht. Da er keinen besonderen Wunsch äußerte, wird er den Traditionen der Jedi entsprechend bestattet. Aber er hatte recht.“

„Worin?“

„Dass ich ihn nicht fangen kann. Weißt du, was er damit gemeint haben könnte, Marlinah? Denke gut nach.“

Die Twi'Lek runzelte die Stirn. In den letzten zwei Jahren hatte der Ithorianer ihr das eine oder andere Rätsel mit auf den Weg gegeben, sodass sie mit seiner Art zu sprechen immer besser klar gekommen war. Und doch... dies schien für sie unlösbar. Daher fragte sie nur zaghaft: „Dass er nun für immer weg ist und wir ihn nicht mehr erreichen können?“

Der Jedi nickte ihr sanft zu: „Ja, auf eine gewisse Weise stimmt das - es ist aber noch nicht alles.“ Er trat einen Schritt auf sie zu und machte eine umfassende Geste, die den ganzen Raum einschloss. „Was spürst du?“

„Wärme?“

„Und was noch?“

Marlinah senkte die Schultern. „Luft?“

„Und was noch?“ Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Jedi.

„Ich... uhm.“ Marlinah wollte schon darum bitten, dass er es ihr erklärte, da fiel ihr wieder ein, dass die Macht überall ist. Sie ist um uns, in uns und durchdringt uns. „Die Macht?“

Jestocost schwieg und sah sie an. Und so sprach Marlinah langsam weiter. Unsicher ob das, was sie sagte, überhaupt stimmte. „Der Kodex sagt, dass es den Tod nicht gibt, sondern bloß die Macht. Er wurde eins mit der Macht und ist.. nun um uns herum. Und die Macht.. kann man nicht fangen.“

„Der Körper ist bloß eine Hülle, Marlinah. Das meinte er damit. Begreifst du das?“

Die Augen der Twi'Lek drückten deutlich aus, dass dem nicht so war.

23

Freitag, 12. Juli 2013, 21:39

"Wie kann ich es dir erklären? Vielleicht so: Hast du schon einmal gehört, wie jemand auf einer Geige spielt?"

Marlinah nickte und lauschte erst einmal weiter. Was hatte eine Geige damit zu tun?

"Komm, wir wollen uns hierhersetzen." Er zeigte auf eine kleine Bank an der Stirnseite des Raums, etwas abseits des Betts. "Meister Liren glaubte, dass der Tod nicht ganz plötzlich kommt, sondern dass es eine Weile dauert, bis die Seele sich ganz in die Macht aufgelöst hat. Er war auch überzeugt, dass sie das leichter tun kann, wenn gute und friedliche Gedanken sie begleiten. So wollen wir noch etwas bei ihm bleiben."

Marlinah nickte erneut, ging zur Bank hinüber und ließ sich darauf nieder. Jestocost setzte sich neben sie und wartete, während sie die Beine hochzog und übereinanderlegte, bis sie im Schneidersitz saß. Diese dummen Bänke waren für Erwachsene gemacht, sie kam mit den Füßen noch nicht an den Boden.

"Weißt du", fuhr er fort, als sie es sich bequem gemacht hatte, "ich komme von Alderaan. Es gibt viel Musik dort. Meine Mutter spielt Geige, und als ich noch sehr klein war - bevor ich zum Orden kam -, hörte ich oft die Geigentöne durchs Haus ziehen. Daran denke ich nun gerade.

Viele auf Alderaan glauben, dass die Musik in einem eigenen Reich wohnt. Alle Musik der Welt, die jemals war und jemals sein wird, ist dort, und die Komponisten können in diese Welt hineinlauschen und etwas davon in unsere Welt herüberholen. Und die Musiker erwecken mit ihrem Instrument die Musik dann für unsere Ohren zum Leben.

Die Musik ist nicht die Geige. Die Geige lässt sie erklingen, aber die Musik war schon vorher da. Der Komponist gab ihr eine Form in unserer Welt, und der Musiker erweckte die Form zum Leben. Die Musik ist auch noch da, wenn die Geige zerstört ist. Wenn du eine Geige zerschlagen würdest, die gerade eben einen Ton gespielt hat, wäre der Ton noch immer da. Er würde leiser und leiser werden, aber er wäre noch da. Irgendwann können wir ihn nicht mehr hören, und die Alderaaner glauben, dass er dann ins Reich der reinen Musik zurückkehrt.

Aber kein Ton", fügte er hinzu, "so sagt man, den die Geige erklingen ließ, wird je ganz und gar verloren sein. Alle Musik, die jemals erklungen ist, hat feine Spuren hinterlassen, die die Welt ein wenig verändert haben."

Marlinah ließ sich die merkwürdigen Worte durch den Kopf gehen und versuchte, sie zu fassen. Sie zögerte einige Augenblicke, bevor sie dann doch fragte: "Glaubt Ihr das alles auch, Meister Alde?"

Er nickte. "Ich glaube sogar, dass selbst die Musik, die noch nicht komponiert und natürlich auch noch nicht gespielt worden ist, schon in die Welt vorausscheinen kann. Manchmal kann man sie erahnen."

Sie war nicht sicher, ob sie das nun wieder durchschaute. Musik war überhaupt nicht ihr Gebiet, das wusste er wohl nicht... aber sie gab sich Mühe, den Gedanken zu folgen.

"Vielleicht machen es die Komponisten ja so", überlegte sie jetzt, wobei ihr praktischer Verstand ihr zu Hilfe kam. "Sie hören irgendwie ein kleines bisschen von der Musik, die noch nicht gefunden ist, und dann lauschen sie weiter, und so finden sie sie."

"Ja, einige zumindest machen es so. Das glaube ich auch", nickte er ernst.

Noch einige weitere Momente dachte sie nach, dann schaute sie zu ihm hoch. "Ich glaube, jetzt verstehe ich", sagte sie zuversichtlich, "wenigstens den Anfang. Der Körper - das ist die Geige. Er lässt die Seele klingen, so dass man sie hören kann. Und wenn man stirbt, dann ist die Geige zerbrochen und die Seele geht zurück, dahin, wo sie zuhause ist."
Sie schloss die Augen. Eine Weile war es ganz still im Raum. Dann lächelte das Mädchen und flüsterte: "Ich glaube, ich habe ihn noch gehört... vielleicht... ein ganz kleines bisschen."

Jestocost schloss die Augen ebenfalls. So saßen sie eine Weile schweigend beisammen.

"In diesem Kurs geht es um Fakten. Wenn ihr an der Wahrheit interessiert seid, Meister Aldes Vorlesung befindet sich am Ende des Ganges." -- Norru Balnam

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Jestocost« (13. Juli 2013, 18:06)


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Samstag, 13. Juli 2013, 18:03

Schließlich öffnete sie die Augen wieder. Der Kummer war nicht mehr ganz so schlimm.

"Ich wäre gerne dabei. Also, wenn ich darf", sagte sie nun. Auch wenn sie dem Ithorianer erst vor zwei Jahren zum ersten Mal begegnet war, kam es ihr doch vor, als wenn sie ihn schon von klein auf kannte.

Sie sah zu dem Jedi auf, musterte seine hellen Augen, die sie ruhig anblickten. "Warum sagte er, es sei eine Gnade zu sterben? Warum dankbar sein? Bei Kampf, Krankheit und Alter. Ist das denn alles dasselbe? Ist es nicht schlimmer, im Kampf zu sterben? Ist es eine Erlösung, wenn man schon so alt ist?"

Das Mädchen legte unbehaglich die Lekku um ihren Hals, streichelte leicht darüber und senkte wieder den Blick.

"Das ist eine schwierige Frage", sagte Jestocost. "Was Meister Liren sagte, war nie ganz leicht zu begreifen. Und ich fürchte, das habe ich wohl auch von ihm gelernt und muss dich dafür um Nachsicht und viel Geduld bitten." Er sah sie schuldbewusst an, und Marlinah war kurz irritiert, ehe sie begriff und plötzlich auflachen musste. Er lachte mit und zwinkerte ihr zu, wurde dann aber wieder ernst. "Ich glaube allerdings nicht, dass mein Meister an die Erlösung von Schmerzen dachte, als er sagte, dass man für den Tod dankbar sein soll."

Marlinah überlegte. Ja, wahrscheinlich hatte er recht. So etwas hatte sie auch noch nie im Unterricht gehört. Jedi sollten die Schmerzen und das Leid von anderen lindern, das ja - aber die eigenen Schmerzen durften nicht wichtig sein. Die Padawane, hatte sie gehört, mussten sogar eine Prüfung bestehen, in der sie große Schmerzen aushalten mussten, bevor sie Ritter werden durften.

"Wir sollen der Galaxis dienen", sagte sie mit fester Stimme. "Nicht uns selbst. Darum sollen wir uns auch nicht wünschen, dass Schmerzen aufhören, einfach nur damit es uns dann nicht mehr wehtut. Höchstens, damit wir wieder besser helfen und weiterkämpfen können."

Er unterbrach sie nicht, darum sprach sie langsam weiter.

"Also dürfen wir uns auch nicht wünschen, zu sterben, wennn wir alt sind oder so... Weil wir der Macht gehören... oder? Wir sollen tun, was die Macht will, nicht wir."

Er nickte. "Das ist vielleicht das Wichtigste überhaupt, was ein Jedi begreifen muss." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Vielleicht haben Meister Lirens Worte aber außerdem auch damit zu tun, dass er ein Ithorianer war. Er hat dir doch davon erzählt, nicht wahr?"

Das hatte er. Den Ithorianern war die Natur heilig, hatte er gesagt. So heilig, dass sie die Oberfläche ihres Planeten verlassen hatten, um das Gleichgewicht dort nicht mehr zu stören. Sie lebten in großen Kolonien von schwebenden Schiffen, die sie 'Herdenschiffe' nannten. Nur wenige gingen jemals hinunter in den Dschungel, und wenn sie es taten, dann als Forscher oder Priester. Auch Liren hatte eine Zeitlang in den Wäldern gelebt, wie er ihr erzählt hatte, und dort ein Buch über Pflanzen geschrieben. Er hatte es ihr sogar gezeigt. Es hatte ihr gefallen, wenngleich Pflanzen sie eigentlich nicht besonders interessierten.
Die Ithorianer betrachteten es als Erfüllung ihres Schicksals, sich in den Kreislauf des Lebens zu fügen. Das Sterben gehörte zum Kreislauf dazu, genauso wie das Leben.

"Die Ithorianer sagen: Ohne Leben kein Tod, und ohne Tod kein Leben. Darum sind sie dem Tod dankbar für das Leben und dem Leben dankbar für den Tod." Sie sagte es mehr zu sich selbst und hing diesem Gedanken noch eine Weile nach.
Als sie wieder zu ihm hochschaute, lächelte sie ein bisschen. "Also, darf ich?"

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Samstag, 13. Juli 2013, 20:37

„Ich sage dir Bescheid, wenn es soweit ist. Nun sollten wir aber gehen.“, sagte der Jedi und erhob sich langsam, bot Marlinah die Hand, um ihr aufzuhelfen. Sie ergriff diese zögernd, rutschte von der Sitzgelegenheit herunter und warf noch einen langen, nachdenklichen Blick auf den verstorbenen Jedi-Meister. „Ich danke Euch, dass Ihr diesen Moment mit mir geteilt habt, Meister Alde.“

„Auch ich habe zu danken, Marlinah.“ Der Jedi nickte ernst und dankbar, legte seine Hand auf ihre Schulter und so standen sie eine ganze Weile still da und sahen sich nur an.

Am Abend des dritten Tages traten Marlinah und Jestocost aus dem Tempel. Die Landeplattform war geräumt worden, sodass dort nun ausreichend Platz war. In der Mitte war ein schlichter Holztisch, auf dem der Leichnam des Meisters lag, in schlichte Jedi-Gewänder gehüllt.

Der Twi'Lek traten bei dem Anblick wieder Tränen in die Augen und sie ging nah neben Jestocost her, der kurz vor dem Tisch stehen blieb, die Hände ineinander legte und seinen ehemaligen Meister betrachtete.

Marlinah tat es ihm nach und sie blinzelte gerührt, erinnerte sich wieder an das Gespräch und sah in den sternenreichen Himmel hinauf. Dann glitt ihr Blick hinunter, sie sah all die Lichter der Stadtwelt, so viele Lebewesen...

Rund herum hatten sich mittlerweile immer mehr Jedi versammelt, die im Kreis standen und dem verstorbenen Jedi-Meister ihre letzte Ehre gaben. Zusammen mit Jestocost trat Marlinah zurück in diesen Kreis, drehte sich langsam um und sah, wie der Tisch angezündet wurde, die Flammen rasch dem Himmel entgegen leckten.

Das Mädchen schluckte schwer, sie wollte den Blick abwenden, aber das Feuer hatte sie vollkommen in den Bann gezogen. Mit dem Handrücken wischte sie eilig die verräterischen Tränen weg. Erneut legte sich eine Hand auf ihre Schultern, sie spürte den Trost, den diese Geste ihr spendete, und war dankbar darum. Leicht wandte sie den Kopf und musterte den Jedi aus den Augenwinkeln.

Das Feuer flackerte noch immer, als sich die anderen Jedi nach und nach zurück zogen. Der eine oder andere wechselte ein paar Worte mit Jestocost, doch Marlinah hörte nicht hin. Zu groß war die Magie in diesem Moment, sie spürte die Macht, die Wärme des Feuers und die Unendlichkeit des Weltraums, wann immer sie die Augen zu den Sternen hob.

Der Morgen graute langsam, das Feuer war erloschen und der Platz wurde wieder geräumt. Noch immer standen sie da, Jestocost Alde und Marlinah Numa. Sie war müde, die Beine schmerzten und dennoch wollte sie ihn nicht alleine lassen.

Jestocost wandte sich ihr zu, lächelte sie sanft an. „Willst du mich begleiten, Marlinah?“

„Wohin?“, fragte sie, ein Gähnen unterdrückend.

„Wohin auch immer uns die Macht leiten wird.“

„Das will ich gerne tun.“

„Dann folge mir, Padawan.“

Mit einem Mal war die Twi'Lek hellwach, sah zu dem Jedi auf, ihre Augen wanderten an ihm vorbei zu den Sternen. Ein Gefühl der Erleichterung und Freude breitete sich in ihr aus, ebenso wie tiefe Dankbarkeit.



26

Freitag, 19. Juli 2013, 19:38

Marlinah glaubte, das es in wenigen Tagen zur nächsten Mission losgehen würde. Bisher waren Meister Alde und Meister Bareg Liren nie länger als zwei Wochen auf Coruscant geblieben. Doch nun neigte sich die zweite Woche dem Ende zu und ihr Meister machte keinerlei Anstalten, den Planeten zu verlassen.

Die junge Padawan versuchte ihre Enttäuschung darüber zu verbergen und sich in Geduld zu üben, ganz so, wie man es von ihr erwartete. Doch sie ertappte sich dabei, dass ihr abendlicher Blick in den Sternenhimmel immer schwermütiger wurde.

Die ersten zwei Wochen bestanden darin, dass ihr Meister sich ein Bild davon machte, welche Machttechniken sie wie gut beherrschte und wo er sein Training ansetzen würde. Daneben bestand ein großer Teil des täglichen Lernens aus Meditation. Besonders ausdauernd war sie darin nicht, aber dank ihrer Disziplin schaffte sie es meistens, dabei wenigstens wach zu bleiben.

Ab der dritten Woche stellte Meister Alde ihr immer wieder Fragen zu galaktischer Geschichte, oder der Geschichte der Jedi. Bei manchen Antworten war sie sich unsicher, sodass er sie nachschlagen ließ. Und so vergingen weitere zwei Wochen, in denen sie das Archiv öfter sah, als ihr lieb war.

Während der fünften und sechsten Woche unterhielten sie sich über den Kodex, Marlinah interpretierte ihn auf verschiedenste Weise. Sie nahmen jede einzelne Zeile auseinander und der Jedi gab ihr jeden Tag einen neuen Denkanstoß mit auf den Weg, über den sie meditieren sollte. Auch war es ihre Aufgabe in den zwei Wochen, sich bei anderen Rittern und Meistern über deren Interpretation des Kodex zu informieren.

Marlinah ertappte sich dabei, dass sie die Lust verlor und sich an das Training im Jünglingsclan zurück sehnte. Ihr fehlte die freie Zeit, die sie in der Sporthalle verbringen konnte. Zwar hatte sie nun auch Zeit, um weiter zu trainieren, aber deutlich weniger, als ihr lieb war. Sie begann sich zu langweilen, ließ hier und da die Schultern hängen, wenn sie wieder eine neue Lektion erhielt. Und trotzdem moserte sie nie, oder weigerte sich gar. Sie tat, was ihr Meister ihr auftrug, auch wenn es bedeutete, Stunden im Archiv zu verbringen, anderen Jedi hinterherzulaufen, oder in Kauf zu nehmen, dass der Hintern während der Meditation einschlief.

In der siebten Woche erkundigte sich Meister Alde dann nach ihrem Lichtschwert. Sie hatte es fast fertig und so nahm er sich die Zeit, ihr über die Schulter zu sehen, während sie die letzten Kleinteile anpasste. In der achten Woche fehlte nur noch der Kristall. Er gab ihr einen, mit dem Versprechen, dass sie bald einen eigenen suchen würde. Die ganze Nacht hindurch fügte sie in tiefer Meditation alle Teile zusammen, während sie das Mantra sprach. Die folgenden Tage verbrachten sie mit Lichtschwerttraining. Sie zeigte die Angriffe und Paraden der Idealfom und der Realform, zeigte ihr Können in der Offensive und der Defensive.

Nach den ersten zwei Monaten saßen sie wie jeden Abend zusammen, unterhielten sich über die Erlebnisse des Tages und wie Marlinah sich selbst einschätzte.
Dabei fiel dem Jedi-Ritter wieder auf, das Marlinah dann und wann ihre Lekku um den Hals legte, oder sie leicht bewegte, wenn sie über der Schulter lagen.

„Sag, Marlinah, hältst du es für möglich dass ein Nicht-Twi'Lek Lekku lernen kann?“

„Uhm, ich weiß nicht. Ich habe Lekku von klein auf gelernt. Lerne es immer noch. Es gibt so viele subtile Bewegungen, auf die man achten muss.“

„Lekku ist nicht die einzige non-verbale Sprache. Es gibt da eine weitere Sprache, die sich schlichter Gesten bedient, die auch andere Rassen ausführen können. Aber darüber können wir ein andermal sprechen. Glaubst du, dass du mir ein wenig Lekku beibringen könntest? “

Das Interesse der Padawan war geweckt und so sprachen sie bis spät in den Abend hinein darüber. Sie selbst zeigte ihrem Meister die eine oder andere Bewegung, hauptsächlich einfache Worte, wie „Ja, Nein, Hierhin, Weg, Gefahr und Sicherheit“. Sie übten diese täglich und ihr Meister lernte, auch ihre Gefühle anhand ihrer Lekkubewegungen zu erahnen.

27

Montag, 22. Juli 2013, 18:14


Natürlich blieb es anfangs eine Art Buchstabieren für ihn. Er lernte einzelne isolierte Gesten und konnte sie zuordnen. Doch der kontinuierliche Fluss der Lekku-Sprache blieb ihm verborgen. "Und Ihr könnt leider auch nicht antworten", sagte Marlinah. "Oder vielleicht mit den Ohren?" Beide mussten lachen. Vielleicht gab es aber eine Alternative, dachte er. Eine, über die er schon eine Weile nachdachte und die er ihr auch schon angedeutet hatte...

Zwei Jedi in Reiseausrüstung gingen mit ruhigen Schritten an ihnen vorbei, der eine wohl in den Vierzigern, der andere Anfang Zwanzig, in Richtung der Aufzüge zu den Startrampen.

"Werden wir auch bald zu einem Einsatz aufbrechen, Meister?" fragte Marlinah hoffnungsvoll.

"Ritter Farlon und Padawan Cha sind auf dem Weg zu einem Einsatz im Kashyyyk-System. Ein weiterer von vielen zermürbenden Versuchen, zwischen Wookiees und Trandoshanern zu vermitteln. Unsere letzten Botschafter wurden vom Imperium abgefangen. Es ist möglich, dass auch diese beiden nicht zurückkehren."

Marlinah schaute den beiden nach und senkte den Kopf.

Er schwieg eine Weile und fuhr dann ernst fort:

"Marlinah, was du in den letzten Wochen getan hast, spiegelt den Weg voraus, der vor dir liegt. Bilde dir nicht ein, dass du von einem großen Abenteuer zum nächsten stürmen wirst. Vergiss alle Träume von Heldentum und großen Taten. So etwas mag es geben, aber es ist völlig unwichtig, ob du es erleben wirst oder nicht. Wahrscheinlich wirst du es nicht. Wahrscheinlich wirst du einfach täglich deine Pflicht erfüllen und deine Arbeit tun, von einem kleinen Fortschritt zum nächsten gehen, oft auch von einem Fehlschlag zum nächsten, ohne nachzulassen, auch wenn du keine Hoffnung mehr siehst und versucht sein wirst, aufzugeben. Erinnere dich immer daran: Deine Mission ist Dienen. Das ist alles, Dienen und Arbeit. Mehr gibt es nicht." Er sah sie ruhig an. "Bist du sicher, dass du das willst?"

Sie schwieg eine Weile, und ihr Blick verfinsterte sich.
"Warum habt Ihr mir dann diese Geschichte erzählt, von Bothawui... das war doch eine Heldentat, oder?" Ihre Lekku zuckten leicht. Unsicher, zweifelnd, irritiert, deutete er; seine empathischen Fähigkeiten bestätigten es ihm.

"Ich habe dir zwei Versionen dieser Ereignisse erzählt. Welche hat dir besser gefallen?"

Sie überlegte eine Weile. Dann sagte sie leise: "Gefallen... hat mir die erste besser... aber die zweite war wirklicher... nicht?"

"Ja", nickte er ernst, "ja, und trotzdem sind sie beide wirklich. Als Kinder brauchen wir die leitenden Bilder von Helden und großen Taten, damit unser Herz einen Schatz von Mut, Hoffnung und Vertrauen auf das Leben sammeln kann. Unsere Seele hungert ohne diese Bilder. Wir verlieren sie nie, und irgendwo behalten sie ihre Gültigkeit. Aber der Tag kommt, an dem wir die Augen öffnen und erkennen müssen, dass die Realität anders aussieht. Bist du bereit dazu?"

Meister Allusis, der strahlende Held, so wie man wohl in kommenden Zeiten den kleinen Jünglingen von ihm erzählen würde... Meister Allusis, der bei der Erfüllung seiner Pflicht in Schlamm und Dreck zugrundegegangen war, ohne zu erfahren, ob es irgendetwas nützen würde... die vielen anderen, auf beiden Seiten, die gestorben waren, freiwillig oder auch nicht...
Dokar.

Sie schluckte, aber ihre Stimme war fest, als sie sagte: "Ja, ich bin bereit."

Drei Tage später bereiteten sie sich auf die Abreise vor. Jestocost hatte ihr versprochen, unterwegs zu erklären, wohin es ging.
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Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Jestocost« (4. August 2013, 13:27)


28

Sonntag, 4. August 2013, 12:12

Marlinah betrat an der Seite ihres Meisters das Schiff und sah sich um, sog jedes Detail in sich auf. Schiffe hatte sie bisher nur von aussen gesehen, oder in Simulationen. Das hier war nun komplett neu und unglaublich aufregend.

Sie folgte ihrem Meister in das Cockpit und sah ihm dabei zu, wie er das Schiff startete, setzte sich auf den Sitz des Copiloten und half ihm ein wenig bei den Startvorbereitungen.
Die erste Mission! Nun würde es endlich spannend werden.

Marlinah biss sich auf die Unterlippe. So durfte sie nicht denken. Sich an die Worte ihres Meisters erinnern. Dienen lernen und bei der Realität bleiben, auch wenn es schwer fällt.

Als sich das Schiff im Hyperraum befand, gingen Meister und Padawan in den Meditationsraum und setzten sich.

„Hast du schon mal etwas von Lorrd gehört, Marlinah?“

Die Twi'Lek dachte angestrengt nach. „Dieser Planet, oder? War da nicht diese Jedi, die dafür sorgte, dass ihr Heimatplanet befreit wurde?“

„Die Lorrdianer wurden vor 300 Jahren versklavt und es wurde ihnen verboten zu reden.“

Marlinah sah ihren Meister fassungslos an. „Was? Zu reden? Ganze 300 Jahre lang? Das ist...“, sie brach ab.

„Eine sehr lange Zeit, ja. Was würdest du tun, wenn du nicht mehr reden dürftest?“

Die Twi'Lek legte den Kopf schief, bewegte leicht ihre Lekku, der Gedanke nicht reden zu dürfen bereitete ihr Unwohlsein. Doch dann kam ihr der Geistesblitz und sie berührte leicht ihren Tschin. „Also wenn ich mit anderen Twi'Lek in einem Raum bin, dann muss ich nicht reden. Nicht laut. Wir können mit den Lekku sprechen.“

Der Jedi lächelte milde und deutete auf sich. „Lorrdianer sehen aus wie Menschen. Wir haben keine Lekku.“

Das Mädchen ließ die Schultern hängen. „Eine Gebärdensprache?“

„Fast. Aber du wirst es bald sehen. Wir reisen nach Lorrd, Marlinah. Ich wurde gebeten, über Lorrd und seine Bewohner Daten zu sammeln für unser Archiv. Immerhin hatten wir lange keinen Kontakt zu Lorrd.“

„Ich verstehe. Aber lesen und schreiben durften sie?“

„Würdest du es erlauben, wenn du schon das Sprechen verboten hast?“

Marlinah schüttelte sofort den Kopf. „Nein, das ist ja auch eine Art der Kommunikation. Aber wie haben sie es dann geschafft, miteinander zu reden?“

„Das wirst du sehen, wenn wir dort sind.“

„Werde ich. Und was soll ich tun, Meister?“

„Beobachten, Marlinah. Beobachten und lernen.“

Mehrere Stunden später glitt das Schiff aus dem Hyperraum und steuerte auf Lorrd zu.

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