13.11.18 NVC
Shinzu sitzt auf ihrem Bett in einem Bademante. Die Haare trägt sie offen und sie sind noch feucht. Sie wirkt müde und niedergeschlagen.
„Hallo Tagebuch! Kennst du mich überhaupt noch? Ich weiß nicht, ob ich mich im Moment selbst kenne. Ich muss mir einfach mal so einiges von der Seele sprechen, so viel ist in den letzten Monaten passiert. Eigentlich hätte ich das schon viel früher mal tun sollen, aber ich konnte mich einfach nicht dazu bewegen. Im Moment habe ich aber sowieso nichts Besseres zu tun, also kann ich mir auch die Zeit dazu nehmen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen sollte…“
Das Mädchen wirkt recht nachdenklich und setzt erst nach einigen Momenten fort.
„Almalia… Almalia kam vor einigen Monaten zum Orden und wir verstanden uns von Anfang an echt super. Ich zeigte ihr ein paar Dinge, brachte ihr das Schwimmen bei, half ihr dabei lesen und schreiben besser zu lernen und verbrachte allgemein viel Zeit mit ihr. Eines Tages sagte sie mir, dass ich für sie wohl mehr als nur eine Freundin sei und sie mich interessant findet. Ich war ziemlich baff, wie man sich sicherlich vorstellen konnte, aber irgendwie löste das etwas in mir aus. Plötzlich sah ich sie auch mit anderen Augen. Natürlich mochte ich sie vorher schon sehr, aber es war, als hätte man bei mir einen Schalter umgelegt und ich musste mir eingestehen, dass ich mich eigentlich auch in sie verliebt hatte. Wahrscheinlich war mir das vorhin nicht bewusst, da sie auch ein Mädchen ist und ich mir da nie Gedanken darüber machte und so, aber plötzlich war alles anders.“
Shinzu seufzt leise bei den Gedanken an die Vergangenheit.
„Dass das nur schwierig werden konnte, war mir vollkommen bewusst, darum habe ich meiner Meisterin sofort davon erzählt, als ich sie sah. Ich wollte aber nicht, dass Almalia und ich getrennt werden. Wir mussten einfach die Gefühle zueinander unter Kontrolle halten und vor allem unsere Ausbildung nicht vernachlässigen. Almalia sprach das auch bei Meister Sorentor an, aber das ging richtig nach hinten los. Ich weiß nicht, ob sie sich nur unglücklich ausgedrückt hat oder ob Meister Sorentor in dieser Hinsicht einfach nur viel, viel strenger ist. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass Almalia und ich bei ihm in Ungnade gefallen sind, als wir versuchten zu erklären, was genau los ist und warum wir damit auch zu ihm kamen.
Waath hatte auch vieles mitbekommen und er half mir damals sehr. Er hörte sich meine Sorgen, meine Wünsche an und zeigte viel Verständnis. Ich mag Waath, er ist ein cooler Kerl, aber seitdem bin ich wirklich von ihm beeindruckt. Er hat durchscheinen lassen, dass in ihm deutlich mehr steckt, als er normalerweise zu zeigen bereit ist.
Das Ganze ging nach einer Weile so aus, dass Meister Sorentor die Verantwortung über uns meiner Meisterin überließ. Almalia und ich trafen uns in unserer Freizeit, verbrachten die, sofern es möglich war, gemeinsam aber ansonsten ließen wir uns nicht voneinander ablenken. Im Gegenteil, es verstärkte unsere Bemühungen, denn wir wussten, dass wir uns keinerlei Fehler erlauben dürften. Ich bin mir auch recht sicher, dass meine Meisterin uns oder mich etwas getestet hat, indem sie hin und wieder dafür sorgte, dass wir die geplante Freizeit doch nicht füreinander hatten, sondern sie mit mir trainierte. Das war vollkommen in Ordnung und ich hab ihr und Almalia geschworen, dass die Jedi-Ausbildung absoluten Vorrang hat.
Da auch Almalias Ausbildung immer intensiver wurde, blieb uns immer weniger gemeinsame Zeit bis ich sie kaum noch sah. Mittlerweile ist es sogar Monate her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe. Vielleicht wurde sie wo anders hin gebracht oder sie ist auf einer längeren Ausbildungsreise… ich weiß es nicht. Allerdings hege ich nicht die Hoffnung, dass ich sie so schnell wiedersehen werde. Vielleicht in ein paar Jahren, vielleicht auch gar nicht mehr. Sie wird mir aber immer als eine besondere Freundin in Erinnerung bleiben und…“
Shinzu wird etwas zögerlich, ihre Gedanken scheinen einen Moment abzuschweifen, während sie sich sanft mit den Fingerspitzen über die Lippen streicht. Es dauert einige Sekunden, bis ihr Blick sich wieder klärt und sie weiterspricht.
„Ich werde niemals den ersten Kuss vergessen. Es war etwas Einmaliges, etwas ganz Besonderes. Unbeschreiblich. Es ist ein nun ein Teil von mir, sowie all meine Erfahrungen ein Teil von mir sind. Aber auch Vergangenheit. Ich trauere nicht hinterher, auch wenn ich mir natürlich wünschte, dass es anders gekommen wäre, aber das ist es nicht. Ich halte jede Erinnerung an Almalia in Ehren und würde keinen einzigen Moment missen wollen. Aber mir wurde recht schnell bewusst, dass ich mich auf meine Zukunft konzentrieren muss. Und diese Zukunft beinhaltet Jedi-Ritter zu werden.
Mit meinem Eifer, den ich, seit ich Almalia kannte, habe, konzentrierte ich mich auf die Ausbildung. Ich erledigte alle Aufgaben meiner Meisterin, lernte im Archiv, nutzte meine Freizeit, um andere Dinge zu lernen, die mich gerade interessieren, analysierte mein eigenes Verhalten, versuchte Unstimmigkeiten auszubügeln. Vor allem versuchte ich etwas weniger emotionaler werden, weil ich weiß, dass das für die Zukunft wichtig sein wird. Ich glaube, ich habe mich in diesen Wochen und Monaten um einiges weitergebracht und auch ein paar Dinge aus der Vergangenheit klären können.“
Sie beginnt nun mit etwas mehr Elan zu sprechen, ihr Blick wird auch wieder klarer.
„Meine Eltern sind ein Teil davon. Ich werde mich da eher kurz fassen, aber ich hatte die Chance meine Eltern kennenzulernen und es lief besser als ich erhofft hatte. Sie zeigten sich an meiner Person und meinem Fortschritt interessiert, geben mir auch ein wenig das Gefühl von Geborgenheit, machen aber auch jederzeit klar, dass sie und ich Jedi sind. Ich sehe sie nicht oft, hin und wieder, so alle paar Wochen, sprechen wir ein paar Minuten miteinander, da sie im Moment auf Coruscant und somit in Kommunikationsreichweite sind. Sie sind so etwas wie Freunde für mich.
Mit Meister Sorentor ist auch wieder alles in Ordnung und wir scheinen diesen Knacks, den es gegeben hat, überwunden zu haben. Vielleicht von ihm auch sowieso immer alles okay und nur ich habe das anders gesehen. Rash ist auch ein guter Freund geworden. Ich glaube, seitdem Minuial ihn nicht mehr ständig auf den Geist geht, ist er etwas entspannter geworden. Wobei ich bei ihm manchmal noch immer nicht ganz durchblicke. Ich glaube aber, er mag mich auch. Zumindest hoffe ich es. Allerdings fürchte ich, dass er Tython verlassen wird, wenn mit seiner Heimatwelt alles wieder in Ordnung ist. Natürlich hoffe ich, dass das klappt, aber er wird mir… uns fehlen. Dennoch wünsche ich ihm alles Gute und hoffe, dass er ein zufriedenes Leben leben wird können. Vielleicht entschließt er sich aber doch dazu, hier zu bleiben. Ich denke, es gäbe einige Zivilstellen im Orden, bei denen er Arbeit finden könnte.
Ich habe auch einige neue Personen kennengelernt. Eine davon ist Jedi Jasis Mazen. Er war mit meinem Vater auf dem Praxeumschiff und ist jetzt auf Tython. Sehr angenehme Gesellschaft und auch jemand, der einfach mal nur zuhört. Aber derzeit kämpfe ich mit einem Verlust…
Sämtlicher Elan von eben ist aus ihrer Stimme und ihrem Blick verschwunden und sie sieht wieder genauso müde und niedergeschlagen wie zu Beginn drein.
Meine Meisterin ist… nicht mehr meine Meisterin. Vor etwas über einer Woche war noch alles in Ordnung und dann wurden wir zu einem Ratsmitglied aus dem Rat des ersten Wissens gerufen. Dieser teilte uns mit, dass meine Meisterin auf eine Mission gehen muss, die nur sie erledigen kann, weil sie eben eine Chiss ist. Und diese Mission wird sehr lange dauern und sehr gefährlich sein, darum kann ich nicht mit. Und darum…“
Shinzu schluckt schwer und kämpft sichtlich mit sich selbst. Ihre Augen werden leicht glasig.
„…darum kann sie meine Ausbildung nicht fortsetzen. Ich bin froh, dass ich so geschockt war, dass ich dem Ratsmitglied nicht Dinge an den Kopf werfen konnte, die ich nachher bereut hätte. Vor allem, weil er ja eigentlich nicht einmal etwas dafür kann. Trotzdem finde ich das einfach nur unfair und ungerecht, obwohl ich eigentlich schon weiß, dass es halt das Beste für den Orden ist. Ich versuche es zu akzeptieren, so schwer es mir fällt. Für meinen Verstand ist es natürlich klar, aber ich fühle mich verraten, enttäuscht, als hätte man mir ein Stück von mir selbst weggenommen. Ich bin auch wütend darüber und wütend auf mich selbst, weil ich so reagiere. Ich sollte gelassen bleiben und nicht so… so aufgewühlt. Aber ich kann nicht anders. Ich meditierte jede Nacht, weil ich kaum schlafen konnte ich führte mir vor Augen, dass es nur egoistisch ist, so wie ich mich verhalte und dass es nicht angemessen ist. Aber es hilft alles nichts. Es geht mir deswegen keinen Deut besser.
Ich weiß nicht, wie es mit mir weitergeht, ich habe das Gefühl, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich habe mit meiner Meisterin einige spezielle Sachen trainiert und das hängt jetzt einfach in der Luft. Ich bin jetzt im Aiwha-Clan, aber das ist einfach nicht das Gleiche. Ich will weiterkommen, weiterlernen und nicht auf der Stelle treten. Aber ohne Meister wird das schwierig. Natürlich könnte ich ins Service-Korps wechseln, aber als ich Padawan wurde, hatte ich meinen Weg klar vor Augen gehabt, ich wusste einfach, dass ich Jedi-Ritter werde, dass das mein Leben sein wird. Aber jetzt… jetzt weiß ich nichts mehr. Ich lerne, ich trainiere, aber ich habe keine Perspektive. Ich jammere herum und im nächsten Moment könnte ich mich dafür ohrfeigen, da es nicht richtig ist.
Und meine Meisterin… ich hoffe von ganzem Herzen, dass sie ihre Mission, ihre Aufgabe bewältigt. Ich weiß nicht, was ich mache, wenn ich erfahre, dass sie dabei stirbt. Aber ich weiß, dass sie gut ist und einiges drauf hat, darum bin ich da zumindest etwas zuversichtlicher.“
Mittlerweile bahnt sich eine Tränge über Shinzus Wange und sie spricht leiser, mit belegter Stimme weiter.
„Aber ich will ihr hier auch ein paar Sätze einräumen oder… widmen, sagt man, glaub ich. Wenn ich sie wieder sehe, werde ich ihr diesen Abschnitt zeigen.
Meisterin, Thara… du warst für mich mehr als nur eine Meisterin. Du bist meine Freundin, meine Vertraute und es gibt niemanden, den ich mehr achte als dich. Vom ersten Augenblick an wusste ich, dass du etwas ganz Besonderes bist. Erst später, als ich deine Padawan werden durfte, erfuhr ich, warum das so ist. Ich hätte dich überall hin begleitet, egal wie gefährlich, egal ob ich dabei mein Leben aufs Spiel setzen würde, denn an deiner Seite fühlte ich mich immer sicher und vor allem auch wohl. Und wäre es mir möglich, würde ich auch jetzt an deiner Seite sein und nicht hier sitzen und diese Aufzeichnung machen.
Du hattest immer ein Ohr für meine Sorgen, Probleme und Wünsche. Du hast mir Rat gegeben, wenn ich nicht weiter wusste und mich wieder auf den rechten Weg gebracht, wenn ich davon abgekommen bin. Du hast mir gezeigt, dass das Leben lebenswert ist, auch - oder vor allem - wenn man es anderen Personen und einem größeren Wohl verschreibt. Du hast mir beigebracht, nicht nur wie eine Jedi zu denken und zu handeln, sondern wie eine Jedi zu empfinden und zu leben. Vieles, das mir früher einmal unklar war, hast du mir erklärt. Du warst dabei geduldig, wenn ich Zeit brauchte und hast mich angetrieben, wenn ich weiterkommen musste. Ich habe viel von dir gelernt, viel von dir erhalten. Ich erinnere mich an jeden einzelnen Augenblick, als wäre es erst gestern gewesen. Meine erste Prüfung, die Reise nach Coruscant unsere Missionen unsere gemeinsamen Stunden auf Tython. Die schönen und auch die unangenehmeren Momente, von denen es glücklicherweise nur sehr, sehr wenige gab. Ohne dich wäre ich nicht mehr hier auf Tython. Ohne dich wäre ich nicht mehr auf dem Weg, eine Jedi zu werden. Aber du hast mir gezeigt, dass es das ist, was ich wirklich will.
Dafür und für alles andere will ich dir von ganzem Herzen danken. Danke, dass du meine Meisterin warst, danke, dass du meine Freundin bist. Ich kann mir keine Bessere vorstellen. Möge die Macht dich für immer beschützen und wohlbehalten zurückführen. Ich vermisse dich!“
Shinzu wischt sich weiter Tränen aus den Augen und deaktiviert den Holo-Rekorder.