Selbständige müssen aber selbst für ihre Alterssicherung aufkommen.
Was Zensur angeht, stimme ich dir zu, Nadi. Vertuschen ist das Falscheste und Dümmste, was man machen kann. Verhängnisvoll ist es, wenn auch Wahrheit mit in den Topf der Geschichtsverzerrungen geworfen wird, denn Halbwahrheiten kommt man am schwersten bei. Es ist für Holocaustleugner immer noch leicht zu behaupten: In Auschwitz sind gar nicht sechs Millionen Juden ermordet worden. Denn das stimmt. Die Zahl steht nicht fest (man kann sich nur annähern), diese Menschen waren nicht alle praktizierende Juden (bzw. definierten die Nazis "Jude" seeehr weit), und sie starben auch längst nicht alle in Auschwitz, es sei denn, man versteht Auschwitz symbolisch für die ganze schreckliche Maschinerie des Todes. Trotzdem starben sie, in anderen Konzentrationslagern, in Ghettos, auf Transporten. Und viele wurden auch nicht erschossen oder vergast, sondern starben an Schwäche und Krankheit aufgrund der menschenunwürdigen Umstände in Ghettos und anderswo.
Man kann und sollte auf solche provozierenden Behauptungen ruhig und sachlich antworten. Stattdessen erhebt sich ein Sturm der Empörung quer durch Presse und Bevölkerung, aber kaum einer weiß so richtig Bescheid, wenn der Neonazi falsch informiert, aber sachlich zurückfragt.
Ja, wir brauchen Transparenz und Sachlichkeit. Aber nicht dann, wenn Häuser brennen und Menschen verprügelt und voller Hass mit dem Tod bedroht werden. Das ist nicht diskutabel und braucht nicht erst objektive Forschung. Es ist kriminell, und es ist menschliches Vollversagen.
Welche Rolle dabei die eigene dünne Luft spielt, da bin ich nicht so sicher. Ganz sicher liegen bei Menschen die Nerven eher blank, die fürchten, bald selbst nichts mehr zu haben. Auf der anderen Seite sieht man oft auch, dass gerade die Armen die Not anderer Armer am besten verstehen und sich eher solidarisieren als die, denen es gut geht, und dass die, die mehr haben, sich auch schwerer tun, wenn es in Gefahr gerät. An der Geschichte vom Kamel und dem Nadelöhr ist was dran. Ich glaube auch, dass der Herdentrieb eine wichtige Rolle spielt. Wir sehen Gegenden, in denen sich Ausländerfeindlichkeit und Hetze konzentriert, und andere, in denen die Menschen zusammenrücken und zusammen anpacken und helfen, obwohl sie auch nicht mehr haben. Es sind, glaube ich, jeweils nur wenige Personen, die die Richtung bestimmen, der Rest läuft nach.
Aber darin gebe ich dir auch recht: Es ist enorm wichtig, den Menschen, die jetzt - völlig zu Recht - um ihr eigenes Hab und Gut und ihre Sicherheit und Lebensperspektive fürchten, zuzuhören und sie auch ernstzunehmen, sonst wird die Kluft noch tiefer. Es geht darum, dass wir begreifen, dass angesichts der Weltkatastrophe das Dorf Deutschland nicht mehr existiert, so sehr man sich das auch wünschen mag. Wir können nicht mehr daran vorbeischauen. Und das hat auch sein Gutes. Es ist höchste Zeit, die eigene isolierte Behaglichkeit zu verlassen und für eine gerechtere Welt einzutreten.