Kapitel X: Verantwortung
[Ord Eden | 23 NVC]
Ein fahles Laternenlicht fällt durch das kleine Fenster des spartanisch eingerichteten Zimmers. Die Strahlen werden just von dem Staub in der Luft abgefangen und zeigen mit mattem Glanz, dass wohl nur selten jemand hier haust. Aber für den Moment wird es reichen, schließlich beläuft sich der geplante Aufenthalt nur auf wenige Tage und die erste Nacht war weitaus weniger schlaflos, als vorerst erwartet. Dennoch vermag das monotone Grau der Wände und Decke eine leichte Depression zu verursachen, da der rot karierte Teppich und die verblichenen Bilder an der Wand nur wenig Auflockerung bieten. Skye hat es sich auf dem Bett bequem gemacht, wobei man die Erwartungen an ein bequemes Bett weit zurückschrauben muss, um auf der blockfesten Matratze soetwas wie Komfort empfinden zu können. Sie starrt an eben jene graue Decke und fragt sich nun schon geschlagene zwei Stunden, ob es richtig ist, was sie hier tut. Schließlich entspricht es nicht gerade der Moral der Jedi persönliche Rachegedanken zu unterstützen, wenngleich sie sich nicht sicher ist, ob es hier um Rache geht. Der Fall wäre klar, wenn es irgendwelche Zakuul wären, die sie aus dem Verkehr ziehen wollen, aber sie suchen einen ganz bestimmten. Jener Paladin, der die Einheit von Captain Ohyn dezimierte und im gleichen Zuge auch Skye und Meister Erauqs beinahe das Leben kostete. Auf der anderen Seite würde es der Galaxis ein gutes Stück mehr Sicherheit bringen, wenn die übrigen Zakuul weiter geschwächt werden, was widerum doch in den Aufgabenbereich der Jedi fällt. Ein Zwiespalt, der Skye Kopfschmerzen bereitet, weil die Dinge wieder unnötig kompliziert geworden sind. Grund genug die Gedanken daran erstmal wieder in den Hintergrund zu rücken. Sie reibt sich durch die blauen Augen und setzt sich auf die Bettkante. Es wird Zeit die Informantin aufzusuchen, damit aus den eher lauwarmen Spuren vielleicht endlich etwas greifbares wird.
[Gestern...]
Ord Eden ist eine Welt im Mid Rim der Galaxis, die ursprünglich von den Zakuul kontrolliert wurde. Nach dem Sturz des ewigen Imperiums wurde prompt eine Übergangsregierung gebildet, die nun jedoch vor einem Umschwung steht. Entsprechend groß sind die politischen Spannungen, da jede Partei ihr Stück vom Kuchen abhaben möchte. Zudem halten sich hartnäckige Gerüchte, dass Politiker, die den Zakuul noch immer treu sind, gegen alle möglichen Gruppen schachern und die Spannungen weiter anheizen. Ob und warum versuchen Skye und ihr Begleiter, der Ex-Soldat Hawk aus Captain Ohyns alter Einheit, herauszufinden. Da das Treffen mit der Informantin, eine Politikerin aus inneren Kreisen, erst auf morgen angesetzt ist, bleibt für den heutigen Tag noch Zeit die Stimmungslage der Bevölkerung einzuschätzen und die allgemeine Meinung der Edener über die Zakuul in Erfahrung zu bringen. Während die Sonne an den alabaster-farbenen Häuserfassaden reflektiert und von den wenigen Bäumen zwischendrin getankt wird, schlendern Skye und Hawk vom Raumhafen in Richtung der Innenstadt. Die Straßen Ord Edens sind moderat befüllt und einige Verkaufsstände haben geöffnet. Allerhand Waren, von Keramik bis hin zu traditioneller Kleidung, werden beworben und zum Verkauf angeboten. Auf den ersten, sogar auf den zweiten Blick ist nichts von den Spannungen der letzten Zeit spürbar. Doch ist wenige Ecken weiter bereits das lautstarke Stimmengewusel einer Menschenmenge vernehmbar, die die beiden Suchenden natürlich anlockt. Quelle der Geräuschkulisse ist scheinbar eine Demonstration zweier Gruppen auf dem Marktplatz der Stadt. In wiederholten Parolen, gemischt mit Hasstiraden und wütendem Schildergeschwenke begegnen sich offenbar pro-republikanische und pro-imperialen Anhänger. Örtliche Sicherheitskräfte versuchen sowohl die Schaulustigen auf Abstand, als auch die Demonstranten voneinander fern zu halten, was mehr schlecht als recht zu gelingen scheint.
"Offenbar haben die Behörden alle Hände voll zutun", schmunzelt Hawk beim Anblick der Situation kurz.
"Mhm...", entgegnet Skye knapp, "Wir sollten versuchen uns möglichst rauszuhalten. Nicht, dass wir noch ins Fadenkreuz geraten."
"Ich schlage vor, dass wir uns aufteilen. Vielleicht lässt sich so mehr herausfinden, einverstanden?"
Sie nickt. "Einverstanden. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier."
An diesem spätem Nachmittag ist die Bar unweit des Marktplatzes nur spärlich besucht. Optimal, um ungestört mit dem Barkeeper zu sprechen, der sicher einiges von dem Tratsch auffängt und auch gewillt ist diesen Tratsch ungefiltert weiterzugeben. Das Lokal erinnert ein wenig an altmodische Zeiten, die wohl am ehesten der Renaissance zugeschrieben werden können. Aufwendig gearbeitete Holzmöbel mit hübschen Verzierungen und dunkler Lasur, sowie grün-graue Vorhänge, die schon deutlich bessere Tage gesehen haben. Der fade Qualm von Zigarren hängt unter der niedrigen Decke und würde wohl bei jedem, der den Geruch nicht gewohnt ist, einen trockenen Husten verursachen. So auch bei Skye, die sich dank des Hustens direkt bei Betreten der Bar mit der geballten Aufmerksamkeit von vier Leuten konfrontiert sieht. Einer dieser Personen ist ein stämmiger Nikto, der mit einem seichten Schmunzeln und ein Glas putzend zu der neuen Kundschaft herüberschaut.
"Was darf ich der jungen Dame anbieten?", erhebt sich die raue Stimme des Nikto, "Rauchiger, corellianischer Whiskey? Ein süffiges Bier von Rodia? Oder doch eher das gute, alte, alderaanische Ale?"
"Ein Glas Ardees wäre angenehm.", entgegnet sie und setzt sich dem Nikto gegenüber. "Was ist denn da draußen los? Ist ja eine krasse Meute auf dem Marktplatz."
"Eine Demonstration gegen die bestehende Regierung. Das geht schon eine ziemliche Zeit so und wird gefühlt von Woche zu Woche schlimmer. Du bist nicht von hier, stimmts? Das sieht man dir direkt an." Das Glas Ardees landet vor Skye auf dem Thresen.
"Erwischt... Ich bin auf der Durchreise und bleibe jetzt ein paar Tage hier. Ich hab schon gehört, dass Ord Eden zu dieser jahreszeit kein beliebter Urlaubsort ist, wollte mir aber selbst ein Bild davon machen."
Es dauert nicht lange und sie kommt mit dem Barkeeper, namentlich Mars Martano, ins Gespräch. Skye ist beeindruckt von seinem Lebenslauf war er doch zuvor Minenarbeiter auf Subterrel, Taxifahrer auf Empress Teta und sogar Koch auf Rodia. Vor ungefähr drei Jahren hat er das Lokal auf Ord Eden eröffnet und sich so einen kleinen Traum erfüllt. Doch ist er höchst beunruhigt über die jüngsten, politischen Entwicklungen. Skye erfährt, dass viele Parteien darauf drängen die Neutralität Ord Edens aufzuheben und sich wahlweise der Republik, oder dem Imperium anzuschließen, damit man bei einem erneuten Übergriff von Drittmächten einen gewissen Schutz hat. Die Übergangsregierung sieht sich jedoch nicht dazu in der Lage, oder nicht privilegiert über eine so essenzielle Frage zu entscheiden, weshalb die Laufzeit bis zu neuen Wahlen vorzeitig beendet werden soll. Das geht so weit, dass es bereits die ersten Morddrohnung und körperlichen Übergriffe gegen Politiker der Regierung gab. Relativ wenig hingegen weiß Mars über den Einfluss der übrigen Zakuul-Anhänger und vermutet lediglich, dass sie versuchen die anderen Parteien gegeneinander auszuspielen und sich besser etablieren zu können.
[Heute...]
Skye schmunzelt, als sie und Hawk die Straße entlang gehen. Sie hat nach knapp 24 Stunden schon genug von diesem Planeten. Nicht, weil er nicht schön ist, viel mehr, weil die äußeren Umstände dafür sorgen, dass kein heimisches Gefühl eintritt. Wie es der Zufall so will ist Mars' Bar der abgemachte Treffpunkt mit der Informantin. Sie sitzt bereits an einem der Ecktische und nippt an einem Glas, den Kragen ihrer Jacke dabei weit ins Gesicht gezogen. Skye spürt Unsicherheit in ihr, aber nicht, weil sie nicht weiß was sie hier tut, sondern viel mehr aus Angst ihr könnte was passieren. Sie scheint eine Art lokale Berühmtheit zu sein, was auf Grund ihres politischen Hintergrundes kein Segen ist. Nicht zuletzt wegen der Gefahr Ziel der Extremisten zu werden sitzt sie mit dem Rücken zur Tür und versucht auch sonst normal zu wirken. Die junge Jedi und ihre Begleitung setzen sich zu ihr.
"Miss Pritchett?", fragt Skye die dunkelhaarige Dame vorsichtig, welche darauf nur aufschaut, "Parole Exo-Schwein."
Eine lächerliche Parole, findet sie, doch irgendwie muss man sich ja gefahrlos zu erkennen geben.
"Bitte, ich habe nicht viel Zeit. Ich riskiere so schon Kopf und Kragen", äußert sich die Informantin.
"Dann komm ich gleich zur Sache. Waren vor kurzem auswertige Zakuul-Anhänger auf Ord Eden?"
"Ja.", kommt es knapp zurück, "Ein Paladin versuchte uns dazu zu bewegen Aufstände anzuzetteln, um die Position der Zakuul auf Ord Eden wieder zu festigen. Noch am selben Tag reiste er wieder ab."
Skye nickt sachte, sie spürt, dass sie die Wahrheit sagt. "Wann war das?", hakt sie nach.
Miss Pritchett wird nervös hastige Blicke durch die Bar. "Vor ungefähr drei Wochen. Mehr weiß ich nicht, wirklich."
Das zähe Gespräch wird jäh unterbrochen, als eine dreiköpfige Gruppe die Bar betritt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Allein der Anblick garantiert, dass sie durchaus unangenehme Zeitgenossen sein können und auch heute wohl nicht zum geselligen Umtrunk in der Bar sind. Die abgeranzten Jacken sind mit imperialen Slogans und Wappen beflickt, die Hosen zerschlissen und die Haare kurz rasiert. Das Klischee des typischen Hooligans scheint erfüllt und tatsächlich gehen die drei Herren auf Konfrontationskurs mit Mars, der sich anfangs leicht eingeschüchtert, aber möglichst bestimmt zu behaupten versucht. Als die Schläger handgreiflich werden bricht eine deutliche Unruhe in der Bar aus, die die Informantin sofort nutzt, um sich unbemerkt zu verziehen. Skye und Hawk hingegen haben bereits genug von dem Theater und leisten ihren Teil zum Thema der Zivilcourage, indem sie die drei offensichtlichen Extremisten zur Rede stellen. Ein Anblick, der sie zum Lachen anhält, denn die gut ein Kopf kleinere Skye wirkt nicht wirklich wie eine Bedrohung und auch Hawk ist weit von dem entfernt, was man groß nennen würde.
"Aus dem Weg. Puppe!", ranzt sie einer der Streithähne harsch an und schubst Skye bei Seite, um wieder an Mars heranzukommen. Skye besinnt sich zur Ruhe, vorerst, denn als sie sich erneut zwischen ihn und Mars drängt wird sie widerum unsanft angegangen. Dieses Mal jedoch wehrt sich Skye in überaus versierter Manier und schafft es den Pöbel mit wenigen Griffen zu Boden zu bringen. Wenngleich es das erste Mal war, dass Skye ihren Fähigkeitsstand im waffenlosen Nahkampf außerhalb des Trainings anwenden musste, schien sie doch recht erfolgreich. Die Rüpel erweisen sich unterdes als eindeutig beratungsresistent, denn sie geben nicht klein bei. Nun müssen auch Hawk und Mars eingreifen und die Störenfriede nach draußen verfrachten. Während der Auseinandersetzung lässt Skye ihr Lichtschwert fallen, dass sie zuvor unter ihrer Robe aufbewahrte, wodurch sie eher unfreiwillig als Jedi geoutet wird.
"Ein Jedi? Sag bloß. Die habe ich nicht mehr gesehen seit...seit über sechs Jahren.", merkt Mars überrascht aber auch erfreut über die Hilfe an. "Ich bin euch beiden zu Dank verpflichtet. Ich sag euch was: Wenn ich euch irgendwie helfen kann, sagt mir Bescheid!"
"Keine Ursache, Mars. Vielleicht gibt es da tatsächlich eine Sache, die du für uns tun kannst." - "Wenn du irgendwas Verdächtiges im Zusammenhang mit den Zakuul erfährst, würden wir das gerne erfahren."
Der Erfolg mag nur klein sein, doch hat sich der Besuch auf Ord Eden bereits gelohnt. Man ist auf die Spur des Paladins gekommen und es würde hoffentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis man ihn findet.